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Adventslesung - 10.12.2023

Das Rauschen der Zeit

Herzlich begrüßte uns Moderatorin Theresa Schermer zur Mittagsstunde. Sie hatte unserer Adventslesung „Das Rauschen der Zeit“ den Namen gegeben und das Programm sehr liebevoll und mit äußerster Sorgfalt vorbereitet. Die Thematik hatte sie aus gegebenem Anlass in ihrer Ausschreibung auch auf den Frieden ausgeweitet, was von einigen Autoren gern aufgegriffen wurde.

Gleich zu Beginn wollte sie mit einer eigenen Laudatio aus der Sicht des Landsberger Autorenkreises auf die Ehrung der Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl für Roland Greißl eingehen – leider musste dieser seine Teilnahme jedoch kurzfristig absagen. Sie las uns trotzdem ihre Laudatio vor, in der seine vielen Verdienste in 18 äußerst aktiven Jahren im Landsberger Autorenkreis zur Sprache kamen. Symbolisch überreichte sie dem Abwesenden den vorbereiteten Weinflaschenkorb. Unser Beifall bestätigte lebhaft ihre Worte und anschließend genossen wir bei anregenden Gesprächen die Köstlichkeiten aus der Weihnachtskarte des Waitzinger’s.
Anschließend verwöhnte Theresa uns noch damit, dass sie eine Bildpräsentation vorbereitet hatte mit Fotos aus den letzten Jahren. So konnten auch Otto Stedele, Günter Bohn, Helmut Glatz, Doris und Joachim Giebelhausen, Inifrau von Rechenberg, Heinz Otto Singer und Ida Rittner noch einmal mit in unserer Runde sein.

Schließlich knüpfte Barbara Koopmann an die Ehrung von Roland an. Sie hatte ihm ihre Eindrücke von seinem großen Tag – der Übergabe der Silbernen Ehrennadel der Stadt für 18 Jahre besonders aktives Miteinander am 10. November – in einen Brief geschrieben, den sie hier vorlas (siehe auch den Bericht zur Ehrung).

Dann leitete Theresa mit romantischen Gedanken über das Vergehen der Zeit die Leserunde ein.

Die Geschichte von Heidenore Glatz handelte von einer Freundin, die schon Anfang November die Wohnung weihnachtlich dekoriert hat, Bratäpfel serviert, Nüsse knackt und sieben Sorten selbstgebackene Plätzchen anbieten kann. Doch wo blieb da die Besinnlichkeit, die Vorfreude aufs Weihnachtsfest? Anschließend trug sie ein stimmungsvolles Weihnachtsgedicht vor und wechselte dann die Veranstaltung, um im nahe gelegenen Gemeindehaus eine weitere Runde mit ihren Weihnachtstexten zu entzücken.

Daraufhin las Hannelore Warreyn das Gedicht von der „Weihnacht 1963“, als alles möglich schien, weil man sich nach dem „Zeitendunkel“ am „hellen, warmen Weihnachtsschein“ freuen durfte, Maschinen zunehmend die Menschen entlasteten und die Gabentische voll guter Dinge waren für „Haus, Küche und Herd“. Das „Weihnachtsgeheimnis“ gab sie dann preis, dass der „Innenraum unseres Seins“ mit Zufriedenheit besetzt sein sollte, damit das Wichtigste eintritt: „Du ruhst in dir“ und „erblühst als Licht in der Finsternis für dich selbst und die Welt“.

Martje Herzog Grohmann ließ uns an einer Rückschau teilhaben: Als die Blätter von den Bäumen fielen, es kalt wurde, kramte sie in einer alten Kommode und fand ein kleines Büchlein in einer Schublade. Das schwarze Notizbuch aus dem Jahre 1852 vom Urgroßvater, er war Pastor und hat der Enkelin so vergangene Geschehnisse zur Kenntnis gebracht. Martje fand darin ein Gedicht an: „Meine liebe Sophie“ – ein Liebesgedicht aus jener Zeit mit rauen Winden und schneebedecktem Land, aber auch mit der innigen Freude auf den Frühling, wenn die Veilchen wieder blühen.

Und Oskar Imhof spielte Melodien auf der Gitarre und sang dazu ein altes Heimatlied.

Lore Kienzl las zunächst ein Gedicht von Roland Greißl vor, das er gleich nach Erhalt der Silbernen Nadel im historischen Rathaus vorgetragen hatte: „Der 8. Tag“, den Osten als Schlüsselwort und aktuellen Fragen zu Krieg und Tod, Gott und KI. So lässt er Gott sieben Tage lang NEIN sagen zu dem, was auf Erden schiefläuft, und es braucht den 8. Tag, um Ja zu sagen im Sinne von Franz von Assisi und Martin Luther King.

Danach las Lore Kienzl ihr eigenes zartes Wintergedicht vom schlafenden „Feuervogel“ in hereinbrechender Nacht mit Schweigen und Finsternis und fröstelnden Fensterscheiben. Sehnsucht ist das Gefühl der Stunde, Stunden dehnen sich zu Jahrtausenden, nur ein kleines Hoffnungsfeuer glüht in den Augen trotz der unwirklich bangen Frage: „Warst du jemals hier?“

Boris Schneiders Geschichte handelt vom Weihnachtsmann beim Anlageberater. Er will Geld anlegen bis zum Weihnachtsfest, um sich Geschenke für die Kinder leisten zu können. Kein Sparbuch soll es sein, nein, wie bei den Menschen soll das angelegte Geld arbeiten, sich maximieren. Doch er wird hinters Licht geführt, der Hedge-Fonds bricht ein, wird liquidiert. Die Rücklagen sind unsicher, es folgen Kapitalblase in den USA, Auflösung der Gesellschaft, Insolvenz.

Oskar spielte eine Eigenkomposition auf der Mundharmonika, sanft und leise, eine erinnerungsschwere Melodie, dunkel, besinnlich.

Klaus Wuchners Gedicht las Rudolf Anton Fichtl vor – Klaus schenkt es den Lesern in voller Länge zum Weihnachtstag:

Wohl wohl geraten

Im Backrohr ächzt der Auerhahn.
Was hat man ihm wohl angetan?
Man nahm ihm seine Auerhenne,
sie liegt geschlachtet auf der Tenne.

Er, dekoriert mit Apfel und Limette,
liegt in der Pfanne wie im Bette,
bräunt vor sich hin
und wird wohl wohlgeraten,
zum Fest – als Festtagsbraten.

Ihr rupfte man das Federkleid,
damit zum Braten sie bereit.
Kaum aufgeschnitten, ausgenommen,
hat das Würzen schon begonnen.

Wie ihrem Auerhahn
wird ihr im Backrohr Wärme angetan.
Auch sie wird wohl wohlgeraten,
man ahnt es schon – als Weihnachtsbraten.

Theresa Schermer hatte einen Liebesbrief an die Zeit geschrieben, von großer Vertrautheit und Liebe mit der Zeit, von Anfang und Ende, Leidenschaften und Möglichkeiten: grenzenbrechend tanzen, malen und sich selbst verlieren – eine berauschende Zeit. „Du, Zeit, bist mir das Liebste, bis zu meinem letzten Atemzug, mein Ein und Alles.“

Rudolf Fichtl hielt sich streng ans Thema im Titel „Das Rauschen der Zeit“. Das Jahr neigt sich dem Ende zu und sein Gedicht erzählt vom Schnee in jener Nacht, als er, der Bahn nicht vertrauend, im Stau kurz vor Eichenau stecken bleibt und die Zeit erstarrt und sich dehnt, bis er endlich zu Hause ist.

Oskar sprach von schwarzer Musik, die einst ganz Europa beeinflusst hat, während er auf einem abseits gelegenen Bauernhof groß geworden ist. Durch dieses Nichtshaben entstand in ihm eine besondere Tiefe und darin der Wunsch, Musik zu machen. „Trouble“ und Schwarzweißdenken machen ihn krank. „Trouble“, so lautete auch das Musikstück von Coldplay, das er auf der Gitarre spielte.

Benno von Rechenberg streifte in Gedicht und Text mit dem Mond durchs Land, möchte die Zeit anhalten, sie spüren, mag dem Rauschen der Natur gern zuhören …

Thomas Glatz warb in einer satirischen Miniatur für die von Dr. Murker gesammelten Mixtexte von der STILLE: zum Anhören, Genießen oder Überspielen mit neuer Stille … von CD und Kassette zu hören.

Danach trug er von Helmut Glatz aus dem Buch Heilige unheilige Weihnachtsgeschichten die Krippendarstellung „Die Landsberger Geburt“ vor: Jesus ist nicht nur für die Menschen in Betlehem, sondern für alle auf der Welt geboren. In Landsberg ist dies ohne Schnee am 24. Dezember, ein heiterer Himmel statt bitterer Kälte, es rauscht der Fluss. Friede, ein Sonntagmorgen, Maria und Josef nicht arm gekleidet, im roten Umhang. Sie finden keinen Platz, kriegerischer Lärm erfüllt die Stadt, die Schwaben gegen Tirol, Furcht in engen Gassen, ziehen sie den Berg hinauf. Hirten aus Scheuring erleben den heiligen Glanz, die Kerze brennt runter, der Glanz des Kindes bleibt in der Welt.

Oskar spielte eine Reise ins Glück mit Mundharmonika und Dampflokzischen und -beschleunigen.

Carmen Kraus grüßte herzlich vom Poetentreff der befreundeten Autoren aus dem Kaufbeurer Raum, der genau am Vorabend dort stattgefunden hatte. Entsprechend wenige hatten sich deshalb hier und dort eingefunden. Benno etwa, der ebenfalls beim Autorenkreis Allgäu die Weihnachtsfeier mitgestaltete. Danach las sie ihre lyrische Kürzestweihnachtsgeschichte aus 20 Wörtern, „Lichtkind“: „Sanft lächelnd bringt ein Kind allen das Licht.“ Es folgte eine „Rückblende“ auf den Urknall, die Welt „zwischen Schrott und Kult“, das Wissen um Gott in den Genen und den Wunsch zu ihm hervorzutreten ins Jetzt gleichmachender Liebe: Heute, in der Zeitenwende „reichen wir uns Herz und Hände“ zum Frieden.

Barbara Koopmann ließ ihre Gedanken in ihrem aktuellen weihnachtlichen Rundbrief an Freunde in Nah und Fern über den Landsberger Christkindlmarkt schweifen. Nicht überall gibt es zur Weihnachtszeit einen solchen Markt, der uns in der Adventzeit das Warten verkürzt und uns auf das Wunder einstimmt. Heuer sogar mit einer Hütte, in der unser Autorenkreis mit seinem Bücherschatz präsent sein durfte (siehe auch dazu den Bericht).

Oskar Imhof schloss unsere Lesung mit dem Lied „An dich denk ich noch in 25 Jahren“. Ja, das hoffen wir doch! Wir jedenfalls werden an ihn denken und seine Hingabe an die Musik.

Theresa bedankte sie sich für unser Kommen und die so rege Beteiligung am Sonntagmittag und Nachmittag und wünscht allen Autorenfreunden frohe Festtage.

Barbara Koopmann und Carmen Kraus

Fotos von Theresa und Carlo Schermer und Thomas Glatz