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Lesung in der neuen Bücherei Buchloe - 24.5.2019

Märchenhafte Stadtbücherei


Die Stadtbücherei Buchloe im VHS-Gebäude am Bahnhof ist nicht nur ein idealer Ort zum Lesen, sondern auch zum Zuhören. Dies bewies der Landsberger Autorenkreis, unterstützt von Mitarbeitern der Bücherei, bei seiner ersten Lesung in diesen Räumlichkeiten am 24. Mai. Das Plätschern der Springbrunnen am Bahnhofsvorplatz einerseits und die untergehende Sonne andererseits schufen in den neuen Räumen der Bücherei die passende Atmosphäre für einen märchenhaften Abend.

„Märchenhaft“ hatte Moderator Boris Schneider aus Buchloe als Thema vorgegeben, und so sollte der ganze Abend werden: Nur unterbrochen von den warmen, stimmungsvollen Klängen des Duos „Olga and one magic tune“, zwei Musikern der Buchloer Funkband „Olga and the magic tunes“, verzauberten 14 heimische Autoren die zahlreichen Zuhörer mit einer großen Bandbreite von nachdenklichen bis humorvollen Geschichten und Gedichten. Von klassischen Märchen über moderne Adaptionen, märchenhafte Urlaubserinnerungen, eine Fantasie-volle Bücherwurmgeschichte bis hin zu philosophischen Texten und zum Träumen anregenden Gedichten war alles geboten.

Als die Bücherei um 19 Uhr offiziell ihre Pforten geschlossen hatte, begrüßte Gudrun Dietsche-Böhm von der Stadtbücherei Buchloe Zuhörer und Gäste. Unter Verweis auf das am Vortag gefeierte 70-jährige Jubiläum des deutschen Grundgesetzes las sie Artikel 5 zur Meinungsfreiheit vor und freute sich, dass bei uns jeder seine freie Meinung äußern darf.

Davon machte gleich Moderator Boris Schneider Gebrauch, der mit seiner Geschichte über einen verwunschenen Fahrkartenautomaten (die Inspiration zu dieser bereits 2012 veröffentlichten Geschichte hatte ihn am Bahnhof Buchloe überkommen) zum Thema „Märchenhaft“ einführte.

Danach begrüßte er Olga Wolf und Andreas Kutter, die als „Olga and one magic tune“ die Veranstaltung würdig umrahmten. Die ruhigen melodiösen Funk- und Soulklänge des stimmgewaltigen Duos ließen die Zuhörer danach und zwischendurch immer wieder träumen und trugen maßgeblich zu einem wunderbar abgerundeten und stimmungsvollen Abend bei.

Wie beim Landsberger Autorenkreis üblich, wurde die Reihenfolge der Lesenden durch Ziehen von Zetteln aus einem Hut bestimmt. Um zwischen Gedichten und Geschichten abzuwechseln, hatte der Moderator zuvor farbige Zettel verteilt. Für Verwirrung sorgte den Abend über immer wieder, dass Rosa eben nicht Prosa, sondern Lyrik war. Gleich der erste gezogene Zettel hatte diese Farbe, und so begann Fred Fraas mit einem humorvollen Gedicht über den Märchenprinzen Rolf aus Düsseldorf, der seine Suleika zwar aus dem Harem befreit, aber ihre Situation dann schamlos ausnützt.

Roland Greißl las „Fliegende Notizen“ von seiner Flugreise nach Lanzarote, die ihn zu Gedanken über die Gegensätze von ökologischem Fußabdruck und Flugtourismus über Sprachprobleme im Ausland bis hin zum Redeschwall der Sitznachbarn im Flugzeug inspiriert hatte.

Pusteblumenschirmchen ließ Angelika Müller in ihrem Gedicht „Pusteblume“ anschließend durch die Luft wirbeln. Auch eine Kurzgeschichte über den Ritter Gurnemanz hatte sie mitgebracht, der gemeinsam mit seinen Ritterkollegen das Herz der Welt zu heilen versuchte.

Ein waschechtes neues Kindermärchen hatte die Puppenspielerin Gerda Kees verfasst, in dem sie ihre Puppen auf eine Erlebnisreise schickte. Ein armer Königssohn sollte ein zänkisches, aber reiches Mädchen heiraten und besuchte davor seinen Freund. Auf dem Weg bekam er zahlreiche Kästchen und Truhen geschenkt, die noch vor der Hochzeit zu öffnen waren. Am überraschenden Ende war zwar das Mädchen geflohen, der Prinz aber reich.

Marianne Porsche-Rohrer hatte Gedichte aus ihrem Buch „Dr. Wald hilft Jung und Alt“ mitgebracht, die sich mit Symbolen aus Märchen beschäftigten. So trug sie gewohnt humorvoll Lehrreiches zu Walderdbeere, Rotfuchs und rotem Fingerhut vor.

Im Märchen „Der weiße Pfau“ hatte Monika Sadegor Urlaubseindrücke vom Lago Maggiore verarbeitet. Der erstgeborene Königssohn wurde auf Bestreben der bösen Stiefmutter von einer Hexe in einen weißen Pfau verwandelt, konnte am Ende aber durch die Liebe der Gärtnerstochter gerettet werden.

Nach der Pause, in der man sich mit selbst gebackenen Pizzabroten stärkte, erzählte Heidenore Glatz die wundervolle Geschichte des Bücherwurms Fanta, der in einer Bücherei wie der am Bahnhof in Buchloe sein Unwesen trieb, bis er sich an einem scharfen ß zerteilte und in Ohnmacht fiel. Als er wieder erwachte, war da eine „Wurmeline“: Wahrlich märchenhaft, dass Fanta sie gefunden hatte!

Theresa Schermer trug das zum Nachdenken anregende Gedicht „Es war einmal“ vor, in dem sie über die Geschichten ihrer Oma aus Kriegszeiten berichtete, in denen Soldaten die „bösen Hexen“ waren.

Lustig ging es dann mit Helmut Glatz weiter. Er schickte Fridolin Konservendose, der ein Held werden wollte, auf eine lange Reise, die in Teilen an das Märchen „Frau Holle“ erinnerte. Der arme Fridolin musste mit Versicherungen und Nahrungsergänzungsmitteln gegen mordlüsterne Metallwerkzeuge kämpfen, bis auch ihm ein glückliches Ende mit der geliebten Sardine beschieden war.

Nachdenklich wurde es dann wieder bei Carmen Kraus, die Märchen in kurzen Gedichten nutzte, um neue Denkanstöße zu geben. So mussten Hänsel und Gretel in „Hüttenzauber“ lernen, über ihren Schatten zu springen. Auch in „Spieglein, Spieglein“, „Sieben“ und „Aufgeräumt“ wurden märchenhafte Themen von ihr in ein neues Licht gerückt.

Michaela Schmitt trug „Die Äpfel der Hesperiden“ aus ihrem in der Entstehung begriffenen Buch vor, in dem sie griechische Mythologie mit den Lehren des Qigong verknüpft. Auch ein Gedicht über ein märchenhaftes Konzert von Flöte und Geige hatte sie dabei.

Das kurze Gedicht „Märchen-Traum“ hatte Lore Kienzl den Zuhörern mitgebracht. Es lud mit sprachgewaltigen Bildern zur Sinnsuche ein.

Den Abschluss machte schließlich Max Dietz mit dem philosophischen Text „Der Sinn wie er leibt und lebt“, in dem der Protagonist seinen personifizierten Sinn mit Guinness-Durst an der Theke trifft. Im Laufe des Zwiegesprächs stellt sich heraus, dass Herr Sinn als Bote des Willens kam.

Autoren und Zuhörer waren sich am Ende der Veranstaltung einig: Die neue Stadtbücherei ist eine kulturelle Bereicherung. Hoffentlich wird es hier noch viele weitere Veranstaltungen geben. – Wer den gesamten Text bis hierhin gelesen hat, wird schon selbst festgestellt haben, dass trotz der engen Themenvorgabe „Märchenhaft“ wieder eine erstaunliche Bandbreite verschiedener Texte vorgetragen wurde. Durch das angenehme Ambiente und die gelungene musikalische Begleitung war die Jungfernlesung in der Stadtbücherei Buchloe auch aus Sicht des Landsberger Autorenkreises ein voller Erfolg.

Dr. Boris Schneider