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Frauenlesung - 12.2.2016

Liebenswerter Aufruhr wo Frauen lästern


Beschwingten Schrittes und in freudiger Erwartung näherte sich letzten Freitag eine stattliche Anzahl Hör- und Lesewilliger dem Café FilmBühne als Austragungsort verbaler Gedanken-Höhenflüge. Ob des Themas „Frauen lästern über Laster“ befürchtete ein männlicher Besucher, den Abend wohl nicht hieb- und stichfest überstehen zu können.

„Halb so schlimm“, meint Moderatorin Monika Hrastnik, je nach Erziehung stellt sich schon heraus, ob Männer eine große Last oder positiv empfundenes Laster seien. In diesem Sinne stimmt sie den Abend gleich selbst mit sehr gelungenen Erklärungen zur Kultur des Frauenlästerns ein.

Als erste in der Runde der Lästerschwestern glaubt Carmen B. Kraus doch tatsächlich, nicht zu dieser Elite zu gehören. Ihr Speziallaster hatte auf dem Kopfsteinpflaster einen Unfall: das Desaster liegt also nur auf der Straße. Zögerlich gibt sie dann doch ein Laster „in eigener Sache“ zu, indem sie an der Existenz eines allzeit genügenden Dauergatten zweifelt. „Austausch“ wäre gefragt, nicht Gleichsein für alle, was uns einst als Pflicht auferlegt wurde und in der Praxis überhaupt nicht klappt.

Marianne Porsche-Rohrer geht das Männerthema experimentell an und versteckt ihre Meinung zunächst hinter den vielen K eines Kreuzworträtsels. Weil sie aber weltgewandter agieren will, belegt sie VHS-Sprachkurse, um die verfremdeten Vokabeln der Jetzt-Zeit zu verstehen oder als Rentnerin in die Ferne zu düsen. Will sie sich zu den lukullischen Delikatessen etwa noch einen rassigen Spanier einverleiben? Weil das zu riskant ist, übt sie erst mal daheim, mit Wechselfußbädern den Lustkiller „chronisch kalte Füße“ aufzutauen. Danach werden Kneipp-Sandalen angezogen, denn High-Heels sind sowieso nur „zum Stöhnen“ und lassen die Wolke Sieben platzen.

Den Renner des Abends liefert Klaus Wuchner mit einem Text, in dem er zur „Selbstverwirklichung der Frau“ doziert, allerdings mit widersprüchlichen Aussagen. Mehr Selbstdarstellung wäre zu begrüßen, wird aber durch Wirtschaft, Politik und Presse oft fehlgelenkt. „Frauen müssen nicht bessere Männer werden“, meint Klaus und erntet damit Beifallsstürme vom weiblichen Publikum.

Gastleserin Hannelore Seidel aus Buchloe, deren Passion Lebensratgeber mit philosophischen Hintergedanken sind, knöpft sich den Dichter vor. Dessen Frust ist es, sich mit dem wahren Geist verbinden zu wollen, obwohl sich der Leib manchmal querstellt. Gott sei Dank gewinnt am Ende des Geistes Frucht, denn „wer schreibt, der schreibt immer“.

Einen Schock versetzt Gerwin Degmair dem Publikum mit dem Witz: „Als Gott den Mann erschaffen hatte, überließ er die Herstellung der Frau dem Azubi.“ Doch er rettet sich gleich mit blumenreichen Worten, mit Mäuschen-Tiraden, Gewürzen und Braten und sogar einer innigen Vorstellung einer Liebesbeziehung – und schafft es mit dieser Hommage, sich wieder aus der Schlinge zu ziehen. Wenn er meint, „die Frau ist ein Kunstwerk und ein Geschenk aus Schöpfers Hand, tief liegend in des Mannes Herz“, und sie wolle mit ihrem Reden nur zeigen, wie „gottgewollt der Männer Schweigen“ ist, dann schmilzt jedes Weib im Publikum dahin. Und was macht er? Er steht bereit, mit offenem Herz!

Da ist dann eine Lesepause fällig.

Heidi Kjaer überrascht mit ungeheurem Variantenreichtum. Sie sagt „Lass mich“, obwohl sie alle Männer liebt. Ehrenhaft vertreibt sie für ihn die bösen Geister und füttert die Friedenstauben. Dafür muss er ihr auf dem Weg zum Berg folgen, um dort richtig mit ihr reden zu können. Die schönsten Träume aber wachsen auf dem Wunschbaum mit den beiden eingeritzten Herzen. Wer mich nicht kennt, überlegt Heidi, der weiß nichts von meinem „Talent zum Traurigsein“, denn „ohne dich“ könnten einsame Tage mit Stille kommen. Doch im Wiegen des Walzerschritts reift die Erkenntnis: „Die Zeit war ein Dieb.“

Nach diesem Gänsehautfeeling gibt Boris Schneider vor, nicht zu wissen, worüber Frauen lästern. Also flüchtet er sich in eine Fantasygeschichte. Sie handelt von einem Magier, dessen außerordentliche Beschwörungen zwar die Kollegen begeistern, aber sein Familienleben beschweren. Das Babysitten geht zunächst schief: die Zimmereinrichtung nimmt in unkontrollierten Flügen Reißaus und Wertvolles kommt dabei sogar zu Schaden. Wird mit dem Silencio-Zauber alles wieder gut? Wir erfahren es vielleicht ein anderes Mal.

Mit der Kommunikation zwischen Mann und Frau steht es laut Heidi Glatz manchmal nicht zum Besten. „Liebesgedusel“ ist nichts für einen Mann, der sich sowieso nur spärlich äußert – aber „ich mag dich“ reicht wiederum ihr nicht aus. Die Liebe könnte eigentlich auch durch den Magen gehen, wenn nicht nach seiner Auffassung „Grünes nur was für Tiere oder schlanke Frauen“ wäre und er sich selbst vom Metzger etwas „vom Rost“ holen müsste. Leider findet sie „rosenlose“ Tage nicht so prickelnd (schon zum Hochzeitstag gab es Nelken, weil die nicht so schnell welken); nur gut, dass er sie auch ohne Rosen liebt.

Das Lächeln einer Frau ist wohl kaum zu deuten. Max Dietz ahnt bisweilen Fürchterliches, besonders wenn er ein weiblich diffuses Lächeln erblickt. Wie kann er sich wehren, wenn sie die Führung in manchen Lebenslagen übernimmt? Nun, er lächelt zurück: „Ein Casanova kann es, das Lächeln des Mannes.“ Ein moderner Casanova verschwindet zudem vorsichtshalber in der Früh, sollte er feststellen: „Du hast mich um mein Hirn gebracht heut Nacht.“ Denn der Egomane in ihm duldet keine Schlappe, sein Du bleibt unerreicht.

Scheinbar kaum beeindruckt von so viel männlicher Philosophie betont Angelika Müller, dass Lästern eigentlich geschlechtsneutral ist. „Wie läuft’s?“, fragen sich Mann wie Frau, wenn sie voll Dringlichkeit mit angespanntem Beckenboden vor einem Örtchen stehen, das erst zwei Stunden später öffnet. Die praktischen Dinge des Lebens vereinen beide in Freud und Leid: SIE gibt sich der entspannenden Badeessenz „Lebensfreude“ hin, während sich die nachweisliche Wirkung vermutlich durchs Schlüsselloch ins andere Zimmer verflüchtigt, wo sie IHN zu gesanglichen Höhenflügen inspiriert.

Letztendlich gingen Frau und Mann Arm in Arm nach Hause – und es tat so gut, sich mal richtig ausgesprochen zu haben! Da Moderatorin Monika Hrastnik noch versichert, dass die Fastenzeit nicht als Pause für dichterische Kreativität gilt, dürfen wir gespannt sein, ob der Lästerabend eine Fortsetzung in der nächsten Lesung „Kontraste“ am 26. Februar im „Il Lago di Garda“ findet.

Angelika Müller